Freitag, 11. März 2011

Chaos in der Provinz: Lotte gegen Münster

Morgen ist es soweit, der Tag X steht an. Im westfälischen Lotte (bekannt durch zahlreiche unangenehme Verkehrsdurchsagen) steigt das Spiel des Jahres. Es geht gegen die Erzfeinde aus Münster - ein Duell in der vierthöchsten deutschen Fußballspielklasse, der Regionalliga. Es ist ein Spitzenspiel. Beide Teams haben zu Beginn der Saison nur ein einziges Ziel geäußert: Aufstieg. Und beide können es noch schaffen. Noch sind 11 Spiele zu absolvieren, Münster führt die Tabelle an, hat fünf Punkte Vorsprung auf die Sportfreunde Lotte, zudem noch ein Nachholspiel in der Hinterhand. Für die Lotteraner geht es also in dem morgigen Spiel schon um alles, bei einer Niederlage könnte das Saisonziel bereits abgehakt werden. Dementsprechend heiß ist die 13.700-Seelen-Gemeinde auf das Spiel. In nur wenigen Wochen wurden bereits alle 2.000 Sitzplatzkarten verkauft, die PGW-Arena, ein Meisterwerk zeitgenössischer Baukunst, kann mit einem Rekordbesuch von über 5.000 Leuten rechnen, von denen jedoch mehr als die Hälfte aus dem benachbarten Münster anreisen werden. Trotzdem wollen die Fans der Sportfreunde alles geben. Extra für das Spitzenspiel hat der einzige Fanclub "Blau-Weiße Einsamkeit" eine Choreographie bislang unbekannten Ausmaßes geplant. "Wir wollen nicht zu viel verraten, jedoch schwebt uns die Idee vor, auf den Sitzplätzen blaue und weiße DIN A-4-Blätter auszulegen, die die Besucher dann hochhalten", so der Vorsitzende Hans Rodenfeld. Für aufgeheizte Stimmung sorgte auch ein Zeitungsbericht, wo Fans der Lotteraner äußerten, dass sie mit allen Fans gegnerischer Vereine ein Bier trinken würden, aber sicher nicht mit Anhängern der Preußen.

Die Polizei ist derweil gewappnet. "Wir haben eigens eine Staffel hochgezüchteter rumänischer Kampfhunde einfliegen lassen, unsere Robocop-Kostüme von innen mit Kryptonit gepanzert und unsere Pfefferspray-Vorrichtungen geölt", so Einsatzleiter Friedrich Haudenkerl. Insgesamt seien mehr als 200 Polizisten eingeplant, die "hochmotiviert und kampfbereit" seien und sich bereits heute Abend bei einem gemeinsamen Wrestling-Event auf das morgige Ereignis vorbereiten würden. Die anreisenden Fans aus Münster, die für ihre sinnlose Gewalt berüchtigt sind, werden vom Bahnhof Lengerich in sechs abgehalfterte Busse gepfercht und dann planmäßig zum Stadion am Lotter Kreuz deportiert. Mit dem Auto anreisende Münsteraner werden bereits auf der Autobahn abgedrängt, so der Plan der Polizei. "Sicher ist sicher."

Auch im Lotter Ortskern wird es starke Polizeipräsenz geben, um die historischen Sehenswürdigkeiten des Ortes (Aldi, Edeka, Apotheke) zu schützen und ein Aufeinandertreffen zwischen "Kategorie C"-Anhängern aus Münster und Kategorie Rentner-Anhängern aus Lotte zu vermeiden.

Zusätzlich brisant wird das Duell, wenn man sich die baulichen Voraussetzungen der Lotter PGW-Arena anschaut. Der Gästeblock befindet sich planerisch günstig direkt neben dem Heimblock, wo die beiden 14-Jährigen Lotter Ultras ihr zu Hause haben. "Eine menschliche Schutzwand aus Polizeianfängern wird diese Gefahr eindämmen", wie Einsatzleiter Haudenkerl erklärt. Trotzdem bestehe "natürlich ein geringes Restrisiko", dass die Köpfe einiger Lotter Fans mit kühlem, anfliegenden Gerstensaft in Kontakt kommen könnten. "Mund auf und durch", so der Tipp des erfahrenen Beamten.

Zurück zum Sportlichen. SFL-Boss Manfred Wilke freut sich seit Wochen auf den morgigen Tag. "Dafür lebe, dafür arbeite ich seit Jahren", so der Mäzen, der den Club in der Vergangenheit mit Firmenvermögen aufbaute und seitdem gleichzeitig zusammen mit Lottes Ex-Bürgermeister Hans-Joachim Srock die Gemeindeverwaltung systematisch finanziell ausnimmt. "Wir haben hier Bedingungen geschaffen, die einfach reif für die 3. Liga sind, und genau da wollen wir nächste Saison auch spielen." Lottes Trainer Maik Walpurgis sieht dem Spiel derweil gelassen entgegen. "Wir müssen gewinnen, oh Gott, oh Gott, was soll sonst werden?", so der rootharige Trainerfuchs.

Das Fernsehen plant einen ausführlichen Bericht. So karrt der WDR diesmal ein 5-köpfiges Team mit drei Handkameras und einem Mikrofon nach Lotte, um den Zauber des Westderbys am Nachmittag in einer zehnminütigen Reportage über den Äther zu schicken.

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